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Zivilschutz & Sicherheit 2010

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Z i v i l s c h u t z i

Z i v i l s c h u t z i n l ‘ a q u i l a Z i v i l s c h u t z i n l ‘ a q u i l a Schritt für Schritt – Tag für Tag Eine wertvolle Visitenkarte „Die einzelnen Teile waren hervorragend vorbereitet. Dass es gelungen ist, diese Teile dann so erfolgreich zusammenzufügen, ist als Erfolg zu werten.“ Für den Direktor der Abteilung Brand- und Zivilschutz, Hanspeter Staffler, war der Einsatz in den Abruzzen die Probe aufs Exempel. Seit zweieinhalb Jahren steht Staffler der Abteilung Brand- und Zivilschutz vor. In dieser kurzen Zeit hat er bereits einige Großeinsätze organisiert und geleitet: den Papstbesuch, das Camp für die Erdbebenopfer in den Abruzzen und die Schneekrise im Winter 2008/2009. Das Erdbeben, das Aquila dem Erdboden gleich gemacht hat, hat die Zivilschutzbehörde vor eine große Herausforderung gestellt. „Wir hatten keinen Plan, keine Vorerfahrung, mussten uns Tag für Tag neu mit der Situation auseinandersetzen, Formen der Zusammenarbeit finden, improvisieren.“ Mit Erfolg. Das Camp Sant´ Elia war eines der am besten funktionierenden in den Abruzzen. Für sechs Monate haben dort die obdachlos gewordenen Bewohner des Weilers Sant´ Elia Heimat und Zuflucht gefunden. „Unsere Leute waren unwahrscheinlich motiviert“ Über 700 Zivilschützer und Feuerwehrleute der verschiedenen Südtiroler Organisationen waren dort tätig. Turnusse zwischen vier und zehn Tagen, manche auch mehrmals. „Unsere Leute waren unwahrscheinlich motiviert. Es war nicht leicht, den vielen Freiwilligen, die sich sofort spontan gemeldet haben, zu erklären, dass wir nicht alle mitnehmen konnten“, so Hanspeter Staffler. Emotionen sind zwar positiv, stellen bei solchen Katastrophen aber ein nicht unerhebliches Problem für die Zivilschützer dar. „Zuviel ist eben zu viel. In Aquila waren in den ersten Tagen die Zufahrtswege verstopft. Es waren zu viele, nicht koordinierte Einsatzkräfte vor Ort, die sich eher gegenseitig behindert, als geholfen haben.“ Südtirol wählte die Linie des Abwartens. „Als erstes ist die Berufsfeuerwehr gestartet und anschließend haben wir eine Abordnung entsandt, um die Lage zu erkunden und den Bedarf vor Ort festzustellen.“ Der Zivilschutz kann nur im eigenen Land unverzüglich aktiv werden, außerhalb der Grenzen braucht es einen eigenen politischen Auftrag. Gestartet mit konkretem Auftrag und entsprechend ausgerüstet Als der dann kam, waren die Zivilschützer bereit, hatten eine konkrete Aufgabe und konkrete Vorstellungen und konnten dank der Angaben des Erkundungstrupps entsprechend ausgerüstet und organisiert starten. Der Aufbau und die Führung des Zeltlagers war einerseits ein typischer Einsatz. „Aber eben in anderer Größenordnung. Daher auch viele Unbekannte, die wir von vorneherein nicht einkalkulieren konnten.“ Mit dem ersten Hilfszug sollten ungefähr 50 Freiwillige starten. Staffler: „Tatsächlich waren es dann 80.“ Nachdem sich der erste Elan gelegt hatte, war es zunächst trotzdem nicht schwer, das Kontingent, das sich nach der ersten Phase auf rund 25 Personen eingependelt hatte, zu halten. „Etwas Probleme bekamen wir im Sommer“, erinnert sich Staffler. Die Bergrettungsleute wurden in der Heimat gebraucht, das Sanitätspersonal kam in einen Engpass, zum einen wegen der bereits Monate vorher genehmigten Urlaubspläne und zum anderen wegen der Turnuspläne. Ein erfolgreicher Großeinsatz, der Grenzen aufzeigt Der Großeinsatz in den Abruzzen hat der gesamten Organisation aber auch Einiges aufgezeigt. „Wir haben erkannt, dass unsere Grenzen in der Reichweite und in den Ressourcen liegen und wir haben uns auch eingestehen müssen, dass wir eigentlich für solche Einsätze nicht ausgelegt sind. Auch wenn wir in der Theorie solche Großschadensereignisse schon durchgespielt haben. Aber eben immer nur auf Südtirol bezogen. Wir sind sicher kein technisches Hilfswerk.“ Dass es dann doch so vorbildlich geklappt hat, führt Staffler auf die Menschen zurück, auf die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die zahlreichen freiwilligen Helfer. „Es ist ein Glück, wenn man mit solchen Menschen zusammenarbeiten kann, die zum einen administrative und technische Kompetenz aufweisen, vor allem aber über eine hohe Sozialkompetenz verfügen.“ Und woher diese kommt, dafür hat der Direktor der Abteilung Brand- und Zivilschutz auch eine Erklärung: „Das vermitteln die Vereine. Das Sich-Einfügen in eine Gemeinschaft, das Akzeptieren von Regeln und das sich gemeinsam für ein Ziel einsetzen.“ Danke. 350.000 Euro für die Führung des Camps Sant´ Elia, unmittelbare und flexible Reaktion auf die ersten Meldungen der Naturkatastrophe und Stolz auf den Zivilschutz und alle Menschen, die ihn ausmachen. Ein Gespräch mit dem obersten Zivilschützer Südtirols, Landeshauptmann Luis Durnwalder. Radius: Herr Landeshauptmann, wie haben Sie als oberster Zivilschützer im Land den Abruzzen-Einsatz erlebt? LH Durnwalder: Eine frenetische Abfolge von Entscheidungen. Nur wenige Stunden, nachdem Luis Durnwalder die ersten Meldungen über das provisorische Ausmaß des Ereignisses eingetroffen sind, ist in meinem Auftrag ein Erkundungstrupp von Bozen nach L’ Aquila aufgebrochen. Am nächsten Tag lag bereits ein Konzept für Aufbau und Führung eines Camps vor. Gleichzeitig haben wir auf Anfrage des staatlichen Korps auch Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr in Bozen nach L’ Aquila entsandt. Das waren regelrechte Rettungseinsätze, die Männer haben auch Leute aus den Trümmern befreit und unter persönlicher Gefahr unbedingt Notwendiges für die Obdachlosen aus ihren zerstörten Wohnungen geholt. Nur acht Tage nach dem verheerenden Erdbeben hat die Landesregierung bereits 270.000 Euro für den Einsatz in den Abruzzen zweckgebunden. In der Zwischenzeit hatte mir Zivilschutzchef Guido Bertolaso vorgeschlagen, dass Südtirol sich um die evakuierten Personen der Fraktion Sant’ Elìa kümmern solle. Radius: Brauchte es Mut, einen so großen Einsatz außerhalb der Landesgrenzen zu entscheiden? LH Durnwalder: Ja, aber diesen Mut konnten wir leicht aufbringen, wenn man über so rege und gut funktionierende Zivilschutzorganisationen, wie wir sie haben, verfügt. Unsere freiwilligen und hauptamtlichen Zivilschützer waren ja nicht das erste Mal außerhalb der Landesgrenzen im Einsatz. Ich erinnere an unsere Intervention in der Region Aosta, in der Region Piemont und im Jahre 2005 in Nordtirol. Da wir in Südtirol knapp 13.000 freiwillige Feuerwehrleute, über 3500 Rettungskräfte des Weißen Kreuzes und des Roten Kreuzes und um die 1500 Bergretter haben, konnten wir einige dieser wertvollen Menschen auch an einen über 700 km entfernten Einsatzort schicken, ohne die Sicherheit in Südtirol zu beeinträchtigen. Radius: Was war in Ihren Augen die größte Schwierigkeit, ein so großes Kontingent außer Land zu schicken? LH Durnwalder: Dank der Einsatzfreude unserer Zivilschützer und dem Verständnis ihrer Familien war es möglich auch für längere Zeit das Camp in Sant’ Elìa zu führen. Natürlich muss man versuchen, die betroffenen Menschen so bald wie möglich wieder in ihre Selbständigkeit zurückzuführen. Nach dem Aufbau des Camps hat sich bald gezeigt, dass unsere Präsenz auch über die Sommermonate hin erforderlich sein würde. Für die Campführung haben wir dann eine unentbehrliche und straffe 25-köpfige Besetzung in Sant’ Elìa zusammengestellt, die wöchentlich oder halbwöchentlich ausgetauscht wurde. Radius: Welche Kosten sind dem Land Südtirol durch diesen Großeinsatz entstanden? LH Durnwalder: Zu den 270.000 Euro, die wir schon am 14. April aus dem Reservefonds für das Erdbebengebiet zweckgebunden haben, kamen weitere 80.000 Euro aus dem Fonds des Sonderbetriebs für Feuerwehr- und Zivilschutzdienste. Für die Fertighäuser in San Panfilo hat Südtirol einen Beitrag von 2.150.000 Euro geleistet. Radius: Worin liegt in Ihren Augen die größte Stärke der Südtiroler Zivilschützer? LH Durnwalder: In der guten Vorbereitung. Wir investieren in Südtirol sehr viel in die Ausrüstung aber auch in Übungen und Weiterbildung der Zivilschützer. Das Freiwilligenwesen, besonders bei den Feuerwehren aber auch bei den Rettungsdiensten im Sanitätsbereich und am Berg, ist bei uns in der Bevölkerung stark verankert. Und dass beim Helfen in Not geratener Menschen nicht auf die Sprache, auf die Herkunft oder auf den kulturellen Hintergrund geachtet wird, sondern jeder Zivilschützer sein Bestes gibt, um Not zu lindern, ist bei uns selbstverständlich. Radius: Der Abruzzen-Einsatz war in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar. Das Unglück des Vinschgerzuges ebenso wenig. Ist der Verwaltungsapparat Ihrer Ansicht nach zur Genüge auf Ereignisse dieser Art vorbereitet? LH Durnwalder: Katastrophen kommen immer, wenn man sie am wenigsten erwartet. Unser Landeszivilschutz ist sehr gut vorbereitet und kann im Einsatzfall sehr flexibel reagieren. Die Koordination zwischen den freiwilligen Organisationen und unserer Behörde funktioniert sehr gut. Die Frauen und Männer des Zivilschutzes und auch der Berufsfeuerwehr sind bestens vorbereitet und bringen viel Idealismus mit. Als zuständiger Politiker muss ich eher den Tatendrang dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wenig bremsen, um die Kosten einzudämmen. Radius: Südtirol hat in allen Bereichen tausende von Zivilschützern – mehr als irgendeine andere Provinz in Italien. Wie erklären Sie sich diese Südtiroler Eigenart? LH Durnwalder: Hilfsbereitschaft hat bei uns Tradition, und eine solche kann man weder exportieren noch importieren. Sie ist langsam aber kontinuierlich gewachsen und in der Gesellschaft verankert. Radius: Ein Wort für die zahlreichen Freiwilligen, die sich in den Abruzzen eingesetzt haben? LH Durnwalder: Der Südtiroler Zivilschutz ist eine sehr wertvolle Visitenkarte unseres Landes, auf die ich sehr stolz bin. 10 06/2010 06/2010 11

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