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6 03/2018 aktuell Frauenpower unter Männern Es gibt sie immer noch, die Vorurteile gegenüber Frauen in typischen Männerberufen. Körperlich zu schwach oder fachlich nicht gut genug: Das sind nur einige Klischees, gegen welche Frauen seit Jahren kämpfen. Trotzdem behaupten sich viele Damen in Männerdomänen – und beweisen, dass Geschlecht bei der Arbeit keine Rolle spielt. Frauen, die einen typischen Männerberuf ergreifen, haben es ohnehin schwer. Doch wenn sie auch noch eine Führungsposition innehaben, wird die Selbstbehauptung zu einer fast unmöglichen Aufgabe. Greta Kompatscher vom lvh in Bozen hat ausführlich auf diesem Gebiet geforscht und die Gründe für die schwierige Integration der Frauen in den Firmenstrukturen, die Herausforderungen im Alltag und die Zukunftsperspektiven genauer unter die Lupe genommen. > Radius: Warum tun sich Frauen in Führungspositionen in typischen Männer-Berufen schwer? Greta Kompatscher: Früher war der Prototyp eines erfolgreichen Leaders definitiv männlich. Obwohl es keinen statistischen Nachweis dafür gibt, dass der männliche Führungsstil effektiver ist, scheint diese Erwartung besonders in von Männern dominierten Branchen immer noch vorzuherrschen. Frauen in Führungspositionen widersprechen diesem Stereotyp und werden deshalb automatisch als weniger kompetent angesehen. > Radius: Gibt es noch weitere Gründe? G. Kompatscher: Bei Familienunternehmen kommt noch ein wichtiger Punkt hinzu: Expertenwissen und Fachkenntnisse sind in von Männern dominierten Branchen sehr wichtig, um als kompetent wahrgenommen zu werden. Meine Untersuchungen haben gezeigt, dass viele potentielle weibliche Nachfolger es in ihrer Schulzeit nicht in Betracht ziehen, später einmal ins Familienunternehmen einzusteigen und deswegen ihre Ausbildung erst gar nicht darauf ausrichten. Das heißt im Konkreten, dass Fachwissen beim Einstieg in die Familienfirma oft fehlt. Häufig steigen Frauen eher ungeplant in den Betrieb ein und ihre Integration erfolgt schrittweise. > Radius: Müssen Frauen also doppelt so hart um Anerkennung kämpfen? G. Kompatscher: Viele Frauen berichteten, dass die Akzeptanz der Kunden und Mitarbeiter gegenüber weiblichen Führungskräften in den letzten Jahren gestiegen ist. Dennoch: Viele wollen sich einer weiblichen Führungskraft nicht untersetzten, sind sehr skeptisch bezüglich der Kompetenz der Frau. Frauen müssen viel investieren, um ihre Kompetenz zu beweisen und als legitime Vorgesetzte

aktuell 03/2018 7 gehandelt zu werden. Ich habe herausgefunden, dass junge Männer relativ offen gegenüber Frauen in Führungspositionen sind. Von älteren Mitarbeitern und Kunden werden sie dagegen etwas schwerer akzeptiert. > Radius: Welche Tipps können Sie weiblichen Führungskräften in Männerdomänen geben? G. Kompatscher: Sie sollten nicht fremden Vorstellung folgen, sondern sich auf ihre eigenen fokussieren und sich selbst treu bleiben. Außerdem können ein gesichertes Netzwerk, ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zur Branche, ein hohes Maß an Ich-Bewusstsein und ein erweitertes Fachwissen oder eventuell ein Fachmann als Partner im Betrieb die Erfolgschancen steigen lassen. Beispiele aus dem Alltag Die Beobachtungen der Expertin werden von der Realität bestätigt – wie die folgenden drei Beispiele zeigen. Drei Frauen aus Südtirol, die in typischen Männerberufen arbeiten, erzählen über ihre Erfahrungen und verraten, warum sie ihre berufliche Laufbahn nicht bereuen. Lisa Prast ist Karosserietechnikerin bei K&M Karosserie Service und steht noch am Anfang ihrer Karriere. Trotzdem ist sie sich sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben. > Radius: Wie genau sieht Ihre berufliche Tätigkeit aus? Lisa Prast: Ich bin erst vor kurzem eingestiegen und sammle im Moment Erfahrung vor allem in der Büro-Organisation. Aber auch praktische Aufgaben wie das Vorbereiten und Säubern der Autos übernehme ich gern. > Radius: Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden? L. Prast: Mein Vater ist der Inhaber des Betriebs. Ich bin sozusagen damit aufgewachsen. Ich habe immer wieder bei der Arbeit zugeschaut – und irgendwann ist die Leidenschaft für diesen Job entstanden. > Radius: Was gefällt Ihnen ganz besonders an Ihrem Beruf? L. Prast: Er ist sehr abwechslungsreich. Ich erlebe und lerne jeden Tag Neues. Diese Vielfalt gefällt mir sehr. > Radius: Wie ist die Zusammenarbeit mit den männlichen Kollegen? L. Prast: Manchmal gibt es Situationen, in denen mir gewisse Aufgaben aufgrund meines Geschlechts nicht zugetraut werden. In solchen Fällen gilt: Einfach machen! Dann sehen die Kollegen, dass ihre Bedenken umsonst waren. Ich finde die Zusammenarbeit mit Männern oft sogar einfacher als mit Frauen, weil ich das Gefühl habe, direkter und freier kommunizieren zu können.

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