?! 38 07/2012 portrait ?! portrait 07/2012 39 Ältester Handwerker Südtirols Nein, das Alter kennt man dem gelernten Uhrmacher Martin Kofler nicht an. Da sitzt er frisch und munter auf der Eckbank seiner Wohnung und erzählt von seinen vielen Erlebnissen aus immerhin fast 100 Jahren Leben (er vollendet das Jahrhundert im kommenden September). „Hören tu ich schlecht und auch bei der Sicht merke ich Einschränkungen“, versucht der Althandwerker zu relativieren, „und die Fingerfertigkeit geht ebenso zurück!“ Aber wer ihn in seiner heute noch sauber eingerichteten Werkstatt sieht, tut sich schwer, ihm zu glauben. Viel zu erzählen hat Martin Kofler wahrlich, nicht immer von guten Zeiten, aber der Optimismus hat ihn nie verlassen. „Eigentlich hätte ich Geistlicher werden sollen“, verrät er den Wunsch seiner Eltern, „der Platz bei den Patres war schon reserviert. Ich aber suchte was Lebendiges, was Bewegliches und so entschied ich mich, ein Handwerk zu erlernen. Schon mein Großvater und mein Onkel waren Uhrmacher und weil mein Vetter einen guten Kontakt zu einem Uhrmacher in Reinswald hatte, konnte ich nach vielem Hin und Her dort in die Lehre gehen.“ Viele Kinder, kleine Häuser, wenig Lebensmittel kennzeichneten die damaligen Zeiten. Lehrstellen gab es bis in die fünfziger Jahre grundsätzlich bestenfalls gegen Kost und Logis, verdient hat man nie. Da Raum für die Unterkunft beim Uhrmacher Thaler in Reinswald knapp war, konnte der junge Martin nur im Sommer zum Lernen kommen. „Mit dem Fahrrad bin ich am Montag von Wangen aus hineingefahren und am Samstag wieder raus. Die wegen meiner Berufswahl eher enttäuschten Eltern unterstützten mich bei meinem Vorhaben nur zurückhaltend“, erinnert sich Kofler heute. Und ein Glücksfall kam dem Wangener gelegen: „Eine Bozner Familie, mit der ich in Reinswald Kontakt pflegte, berichtete mir, dass in deren Unterdach Uhrmacherwerkzeug herumliege, das niemand mehr verwende.“ Klar, dass dieses Geschenk dem jungen Mann Auftrieb verlieh. „So konnte ich mit meinem eigenen Arbeitsgerät Aufträge übernehmen und nebenbei auch etwas verdienen.“ Drei Mal wurde Martin Kofler in den dreißiger Jahren vom italienischen Heer zum Militärdienst einberufen, einmal wegen des Abessinien-Krieges und später noch zweimal wegen des Feldzuges in Albanien. „In Turin wurde ich zum Sanitäter ausgebildet und das verschaffte mir einen Einsatz fern der Kampflinie. Aber das Handwerk musste in dieser Zeit ruhen. Ich bekam 40 Centesimi am Tag als Sold. Für den Arbeitsausfall, den ich mit meiner Werkstätte erlitt, gab es keine Ausgleichszahlung.“ Die unselige Zeit der Option erlebte der Handwerker am eigenen Leib: „Wer für Deutschland optierte, 100 Jahre vollendet der ehemalige Wangener Uhrmacher Martin Kofler im kommenden September. Rüstig, wach und mit der Welt zufrieden lebt er heute am Liebharterhof. bekam von Italien den Entlassungsschein (ital. „congedo“), postwendend wurden die jungen Burschen aber zur Wehrmacht einberufen. Die Südtiroler Statthalter des Nazi-Regimes versprachen zwar, dass wir zur Verteidigung des Landes hier bleiben durften, aber gleich nach der Einberufung fanden wir uns in Rom oder in Jugoslawien wieder, wo die Partisanen zahlreiche Soldaten meuchlings dahinrafften.“ Als Sanitäter pflegte Kofler damals den verunglückten Chauffeur des lokal höchsten deutschen Generals. Und als der hohe Offizier seinen Diener nach dessen Befinden fragte und dieser mit dem Hinweis auf die vorzügliche Betreuung durch Kofler antwortete, durfte der Wangener einen Wunsch äußern, den der General erfüllen wollte. „Ich erzählte vom Versprechen des Gauleiters Hofer, dass wir nicht zu Kriegsdienst außerhalb unseres Landes herangezogen werden sollten, der General griff diese Aussage auf, und unverhofft wurde unsere Einheit an den weniger gefährlichen Isonzo verlegt. Ob das die Einlösung des Versprechens war, weiß ich bis heute nicht.“ Nach den Kriegserlebnissen und der abenteuerlichen Rückkehr auf den Ritten durch unberechenbare Patrouillen von Amerikanern und der Partisanen hindurch, nahm Kofler in Wangen sein Handwerk wieder auf. Da er sein besonderes Talent beim Umgang mit elektrischem Strom entdeckte, wirkte er bei verschiedenen Firmen gleichzeitig bei der Elektrifizierung des Landes mit. „Die Prüfung zum Meistertitel für Uhrmacher habe ich erst 1957 mit 45 Jahren abgelegt“, erinnert sich der Handwerker heute, „Die Ausbildung dazu erlebte ich bereits in den frühen vierziger Jahren durch einen Lehrer aus Berlin. Vor der Prüfung musste dieser allerdings zum Kriegsdienst, sodass alles abgeblasen wurde.“ Seine besondere Fertigkeit und seine Findigkeit bei der Lösung von technischen Problemen ließen ihn alsbald auch als Sachverständigen für die Reparatur vieler unterschiedlicher Geräte bekannt werden. „Ich erinnere mich, dass ich zum Beispiel viele Nähmaschinen aus nah und fern wieder zum Laufen gebracht habe, ja, sogar Zentrifugen hat man mir zur Reparatur vorbeigebracht“, so Kofler. „Bis heute kontaktieren mich noch viele Sammler von alten Uhren, um das Funktionieren ihrer Stücke überprüfen zu lassen. Es gibt inzwischen kaum mehr Uhrmacher der alten Schule. Heute werden wertvolle Uhren im Falle eines Schadens zum Hersteller zurückgeschickt. Einfache Uhren landen dagegen zumeist im Müll.“ Schwierigkeiten gibt es zumeist mit den fehlenden Bestandteilen für alte Uhren. Die stellt sich dann der geübte Handwerker kurzerhand selbst zusammen. Ein Termin steht bei Martin Kofler jedes Jahr ganz weit oben: Das Treffen der Althandwerker im LVH. „Diese Zusammenkunft mit alten Weggefährten und Bekannten habe ich selten ausgelassen. Da gab’s immer viel zu berichten und zu erzählen. Zuletzt sind die Bänke aber immer leerer geworden …„ klagt der Uhrmacher. Kein Wunder, wer erreicht denn selbst heute ein solch biblisches Alter? Durch seine Findigkeit und sein Geschick gelang es Martin Kofler schon als Jugendlicher, komplexe Gerätschaften zu entwickeln und zu bauen. Diese Werkbank stammt in Teilen aus den dreißiger Jahren. Entdecke Südtirol sentres.com Über 3.500 Touren zu entdecken. 0, -
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