12 AKTUELL Wenn Essen per Bahn oder Flug kommt Fast jeder Bauernhof ist heutzutage mit dem Auto erreichbar, die Schutzhütten genießen diesen Luxus nur selten. Dort, wohin ausschließlich eine Materialseilbahn führt oder wo ein Warentransport gar nur per Hubschrauber erfolgen kann, wird den Hüttenwirten und -wirtinnen eine gehörige Portion Flexibilität und logistisches Geschick abverlangt. Ein Beispiel aus dem Passeiertal. Heinz Leitner hat im September die zwölfte Sommersaison auf der Zwickauer Hütte auf 2.989 Metern im hintersten Passeiertal abgeschlossen. Es war eine ganz besondere Saison, nicht nur wegen des ungewöhnlich schönen Wetters, sondern vor allem, was den Warentransport anbelangt. Denn normalerweise werden Milch, Brot, Gemüse, Fleisch und alle anderen Frisch- und sonstigen Produkte per Materialseilbahn von Pfelders unkompliziert hinauf zur Hütte gefahren. Im Sommer 2022 hingegen musste der Hüttenwirt auf den Hubschraubertransport umsteigen, da bei der alten Bahn die große Revision und kostspielige Reparaturen anstanden. Weil das Land als Eigentümer der Hütte ohnehin eine neue Materialseilbahn bauen lässt, wurden alternativ Helikopterflüge organisiert. „Da braucht es natürlich eine ganz andere Logistik.“ Gut kalkulieren Viele Schutzhütten in Südtirol haben keine Zufahrt. Ist eine direkte Verbindung ins Tal möglich, besteht meistens Heinz Leitner eine Materialseilbahn, die eine Hüttenversorgung im Vergleich zum Hubschrauber erheblich erleichtert. „Bei uns ist sie das Um und Auf“, bestätigt Heinz Leitner. Bereits vor Saisonbeginn werden alle Arbeitsgeräte, Material sowie die haltbaren Lebensmittel und vor allem die Getränke per Bahn zur Hütte gebracht. Im Sommer schwebt dann dreimal wöchentlich die frische Ware in die Höhe und überwindet dabei mehr als 1.300 Höhenmeter. Für den Hüttenwirt ist das fast ein Luxus, denn so kann er sogar auf eine Gefriertruhe verzichten, die andernorts notwendig ist. Sofern möglich, bestellt Heinz Leitner die Lebensmittel bei Händlern aus dem Passeiertal. Sie werden von einem Lkw gesammelt, zur Talstation gebracht und in die Kabine verladen. Ein Anruf genügt, und schon startet Heinz Leitner den Motor der Seilbahn. „Früher wurde sie mit einem lauten, stinkenden Dieselmotor betrieben. Mittlerweile haben wir auf der Hütte Strom, und so fährt auch die Bahn nun umweltfreundlicher.“ Wichtiges Netzwerk Eine gute Kalkulation, die Abstimmung mit den Lieferanten und vor allem die Zusammenarbeit mit den Leuten im Tal seien wichtige Voraussetzungen, damit eine Hüttenversorgung per Materialseilbahn funktionieren kann, sagt Heinz Leitner. „Das ist ein Netzwerk, auf das ich bauen kann, das man sich aber auch aufbauen muss.“ Eine noch bessere Kalkulation und viele Nerven wurden dem Hüttenwirt in der abgelaufenen Saison abverlangt. Denn ein Hubschraubertransport ist erheblich aufwändiger als die Bahn. Außerdem hängt das Gelingen des Transportes vom Wetter ab, das dort oben auf 3.000 Metern oft ziemlich nebelig sein kann, wie Heinz Leitner erklärt: „Wenn dann um 9 Uhr früh die gesamte Lieferung im Tal bereitsteht und der Heli nicht fliegen kann, muss alles wieder zurück zu den Händlern.“ Oben heißt es dann, mit den Reserven auskommen und auch mal den Menüplan umstellen. Froh über die neue Bahn Ein Hüttenwirt muss nicht nur Koch und Wetterprophet, sondern auch Liftmaschinist und ein guter Handwerker sein. Hin und wieder braucht Heinz Leitner jedoch professionelle Hilfe. Die kommt in der Regel zu Fuß und schickt das Werkzeug mit
TRANSPORT ZU SCHUTZHÜTTEN 13 der Seilbahn voraus. In diesem Jahr versagte jedoch mehrmals die Pumpe, die das frische Quellwasser zur Hütte leitet, und da musste der Hubschrauber angefordert werden. „Ohne Strom würden wir eine Weile auskommen, aber ohne Wasser geht gar nichts.“ Zwei Wochen vor dem geplanten Saisonende war die Wasserpumpe dann ganz kaputt und der 5000-l- Reservetank wegen einer defekten Toilettenspülung über Nacht leer. „Wir mussten die Saison deshalb früher abschließen.“ Das wurmt natürlich, aber Heinz Leitner ist froh, dass dieses Malheur nicht mitten in der Saison passiert ist. Anfang Juli 2023 wird er deshalb frohen Mutes die Hüttentür wieder für seine Gäste öffnen und sich dann hoffentlich über eine ganz neue Materialseilbahn freuen dürfen. „Es braucht einen Plan B“ Peter Trenkwalder ist gelernter Spengler, mittlerweile aber für kühne Bauprojekte in großer Höhe bekannt. Radius: Welche sind die größten Herausforderungen beim Bauen in großer Höhe, speziell auf Schutzhütten ohne Zufahrt? Peter Trenkwalder: Es gibt aus meiner Sicht drei große Herausforderungen, ein gutes Team – das ist der Schlüssel zum Erfolg –, die Sicherheit für alle Beteiligten und die Logistik. Alle drei Faktoren bedingen einander. Peter Trenkwalder Radius: Warum ist die Logistik wichtiger als im Tal? P. Trenkwalder: Weil der Transport von Mensch und Material oft per Hubschrauber erfolgt, wie es beispielsweise beim Umbau des Becherhauses der Fall war. Deshalb darf ich nicht einfach mal etwas im Tal vergessen. Andererseits ist man mit dem Gewicht des Materials und mit dem Platz oben auf der Hütte begrenzt. Und dann spielt natürlich das Wetter eine Hauptrolle. Deshalb brauche ich immer einen Plan B. Radius: Wie sieht so ein Plan B aus? P. Trenkwalder: Der Plan B ist ein Pflichtelement, und alles beginnt mit der Frage „Was wäre, wenn …?“. Es gibt keinen generellen Plan B, sondern immer einen auf die jeweilige Situation angepassten. Wenn beispielsweise das Wetter einen Transport von Material für die Außenarbeiten nicht zulässt, muss es möglich sein, innen weiterzuarbeiten, bis der nächste Flug gehen kann. Meistens ist es eben das Wetter, das eine alternative Planung erfordert, woraus sich weitere Umstellungen ergeben. Ein komplexes Thema … Transport zum Becherhaus
Laden...
Laden...
Laden...