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Brennercom Sailing Week 2019

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20 04/2019 PORTRAIT Segeln ist (s)eine Leidenschaft Am Startschiff der Brennercom Sailing Week sitzt Wettfahrtleiter Gert Schmidleitner, in internationalen Seglerkreisen besser bekannt unter „Blondl“, am Navigationstisch. Zwischen ladenden Tracking-Einheiten und Funkgeräten kontrolliert er über den Laptop mit neuester Technologie Wetterdaten, überwacht das Tracking und berechnet die Ergebnisse. Gert Schmidleitner ist Absolvent der Uni Graz (Sportwissenschaften, Trainingswissenschaften und Öffentlichkeitsarbeit). Ing. Mag. Gert Schmidleitner hat die höchsten österreichischen Lizenzen in Sachen Wettfahrtleiter, Schiedsrichter, Trainer und Ausbildner. In gleichen Funktionen ist er (als einer der wenigen Ausländer) auch in Kroatien anerkannt. Über seine Firma Sport Consult mit Sitz am Attersee (Oberösterreich) ist er nicht nur als Regattaleiter tätig, sondern übernimmt auch die gesamte Organisation von Segelevents, auch Europa- und Weltmeisterschaften in Binnenrevieren und im Hochseebereich. Weitere Infos unter: www.sportconsult.at Radius hat mit Gert Schmidleitner über seinen Werdegang als Trainer, Wettfahrtleiter, Schiedsrichter, Regattaorganisator und App-Designer gesprochen. Radius: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, sich in dieser Nische zu betätigen? Gert Schmidleitner: Das geht weit zurück. Als Jugendlicher machte ich einen Segelkurs am Attersee, weil mich meine Mutter von anderen Blödsinnigkeiten, die Jugendliche halt immer so im Kopf haben, fernhalten wollte. Gleich im Anschluss machte ich mich in dieser Segelschule als Hilfssegellehrer wichtig. Gert immer auf Augenhöhe mit Skipper und Mannschaften „Profunde Kenntnisse der Regeln und kluges Verhalten bei Protestanhörungen sind wichtig, denn recht haben heißt nämlich nicht immer recht erhalten! “ GERT „BLONDL“ SCHMIDLEITNER Radius: Aber das machen ja noch viele … G. Schmidleitner: Ja sicher. In der Folge kam ich zum Union- Yachtclub Attersee und begann dort, die Jugendlichen zu unterichten, später zu trainieren. Man legte mir nahe, mich weiterzubilden, und nach einiger Zeit war ich dann staatlich geprüfter Trainer für Segeln. In dieser Zeit leitete ich die Gruppe der Segler beim österreichischen Heer und trainierte und machte Trainingspläne für Andreas und Roman Hagara, Hanspeter Steinacher und andere. Radius: Eine starke Leistung. Die wurden ja dann zweimal Olymiasieger! Wie erfolgte der Einstieg als Wettfahrtleiter? G. Schmidleitner: In diesen Jahren hatte ich auch noch Zeit zum Selbersegeln. Da habe ich mich mal über die schlechte Performance eines Wettfahrtleiters beschwert. „Mach es doch besser“, war die Antwort und gleichzeitig der Beginn dieser Laufbahn. Radius: Und was macht den guten Wettfahrtleiter nun aus? G. Schmidleitner: Man muss sich immer weiterbilden, sich das ganze Jahr mit dem Sport beschäftigen. Man muss sich selber immer wieder hinterfragen, die Segler trainieren und werden immer besser. Speziell bei der Brennercom Sailing Week ist das sehr gut zu beobachten. Wenn man das als Wettfahrtleiter nicht mitzieht, dann bleibt man zurück. Ich mache pro Jahr etwa 25 Events. Und man bekommt dann auch die Erfahrung, ohne die es einfach nicht geht.

PORTRAIT 04/2019 21 Und noch was ganz Wichtiges: Fairness. Die Teilnehmer erwarten sich von einem guten Wettfahrtleiter nicht nur, dass er weiß, wann wo der Wind geht, sie erwarten sich auch größtmögliche Fairness und Neutralität allen gegenüber. Das bedeutet auch, den Auftraggeber (der in manchen Fällen als Teilnehmer auf einem Regattaboot mitfährt) mit Frühstart oder einer Disqualifikation zu belegen, sollte das notwendig sein. Da fährt die Eisenbahn drüber ... Radius: Wie viele Großveranstaltungen wurden unter der Leitung der Sport Consult schon durchgeführt? G. Schmidleitner: Da gab es sieben Weltmeisterschaften, um die 15 Europameisterschaften sowie zahlreiche Europacups und Distriktmeisterschaften in olympischen und nichtolympischen Klassen. Eines der Highlights waren die World Sailing Games, eine Veranstaltung von World Sailing im Rang gleich unter den Olympischen Spielen. Radius: Welche Ausbildung braucht man, um Schiedsrichter zu sein? G. Schmidleitner: Für die kleinen Regatten kann man das schnell mal machen. Für nationale Meisterschaften aufwärts dauert es aber etwas, bis man alle Prüfungen und die notwendige Erfahrung gesammelt hat. Seit 1995 bin ich International Race Officer, und 2001 habe ich die Prüfung zum International Judge bestanden. Seit Jahren bilde ich die österreichischen Wettfahrtleiter und Schiedsrichter aus und bin im Regelausschuss des österreichischen Segelverbandes auch für die Berufungen zuständig. Radius: Was braucht man sonst noch? G. Schmidleitner: Zusätzlich zur Erfahrung mit Wettfahrtleitungen und Protesten kann eine gute Portion Revierkenntnis nicht schaden. Und dann braucht’s auch noch viel Material: Flaggen, die so groß sind, dass alle sie sehen können, akustische Signale, die so laut sind, dass alle sie hören können, Compter und Auswertungsprogramm, ein schneller Laser-Farbdrucker, Fotoausrüstung, Beamer, Lautsprecher … Und das Wichtigeste von allem: Freude an der Arbeit als Wettfahrtleiter. Nur wer mit Freude arbeitet, der Arbeitet auch gut! „Protest!“ Der Protest ist Teil des Sports und gehört zum fairen Wettkampf. Geht es am Wasser nicht mit rechten Dingen zu, kann man später an Land nachbessern und für Gerechtigkeit sorgen. Nach dem Ausfüllen eines Protestformulars tritt das Protestkomitee zusammen und lässt sich von beiden Parteien den Vorfall schildern. Wenn möglich, werden auch noch Zeugen gehört. Nach einer Diskussion stellt das Protestkomitee den wahrscheinlichsten Sachverhalt fest, kombiniert diesen mit den Wettfahrtregeln für Segeln von World Sailing und trifft eine Entscheidung. Diese Entscheidung ist ausschließlich für Wertung der Wettfahrt bindend. Im Regelfall kann sie auch beim Nationalen Verband des Veranstalters in Form einer Berufung beeinsprucht werden. Meist anerkannt, aber nicht zwingend bindend ist diese Entscheidung im Schadensfall für die Versicherungen. Profunde Kenntnisse der Regeln und kluges Verhalten bei Protestanhörungen sind wichtig, denn Recht haben heißt nämlich nicht immer Recht erhalten! Die App „Protest“ kann helfen Ist sich ein Segler nun nicht ganz sicher, ob er sich am Wasser richtig verhalten hat, so kann er die Situation mit der App „Protest“ nachstellen und dadurch etwas mehr Klarheit erlangen. Mit einer Reihe von Ja-/Nein-Fragen, bei denen parallel die Wettfahrtregeln Segeln von World Sailing gecheckt werden, baut die App die Situation auf und präsentiert die daraus folgende Entscheidung. Über ein Menü gelangt man zu den festgestellten Tatsachen sowie zu den Schlussfolgerungen und angewandten Regeln. Jetzt kann man auch feststellen, wie eine Protestentscheidung wahrscheinlich ausfallen wird und daraus folgend, ob man den Protest einreicht oder es doch besser bleiben lässt. Natürlich kann man die Situationen auch vor einer Regatta durchspielen und daraus lernen, wie man sich im Falle des Falles richtig verhält. Die Situationen auf der Kreuz sind kostenfrei lösbar, alle anderen (Bojenmanöver, Start, Downwind und Ziel) kann man in Kürze als Abo kaufen. So was nennt man Multitasking: Startsignal abgefeuert, den Feldstecher in der Hand (um Fehlstarts zu erkennen) und zugleich noch ein Interview. Beide Boote waren auf einer Kreuz nach Luv BLAU segelte auf Steuerbordschlag. GELB segelte auf Backbordschlag Die Boote waren auf Kollisionskurs GELB hat geluvt GELB ging mit dem Bug durch den Wind Es gab eine Berührung ohne Schaden und ohne Verletzung Für BLAU war es vernüftigerweise möglich die Berührung zu vermeiden GELB hat eine Strafe nach Regel 44 angenommen

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