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Gesundheit & Ernährung 2011

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32 02/2011 p a g i n i e r u n g Alt aber nicht out Freiherr von Berlepsch, Minister Hammerstein, Geheimrat Dr. Oldenburg oder Prinz Albert – das sind nicht etwa Ehrengäste des Wiener Opernballs, sondern vielmehr alte Apfelsorten. Ebenso wie der Tiroler Spitzlederer oder die rote Sternrenette – die Pomologen der Laimburg haben mehr als hundert alte Sorten bestimmt und identifiziert. Seit mehreren Jahren befasst sich das sechsköpfige Team um Walter Guerra, die Sektion Molekularbiologie und das Agrikulturchemische Labor in Zusammenarbeit mit Experten aus Nord- und Osttirol mit mehreren Projekten zur Erforschung und Bestimmung alter Apfelsorten. Zwei dieser Projekte sind Gene-Save und Apfel-fit. Einmal geht es dabei über die Sicherstellung des genetischen Materials um die Erhaltung der alten Sorten. Im Rahmen von Apfel-fit werden mehr als 500 alte und neue Sorten molekularbiologisch charakterisiert und einige ausgewählte auf ihre gesundheitsrelevanten Eigenschaften hin untersucht. Radikale Sortenbereinigung Mit Beginn der industriellen Vermarktung und Massenproduktion von Äpfeln am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert setzte auch in Südtirol – und nicht nur dort – eine gezielte Sortenbereinigung ein. Zehn bis zwölf Sorten blieben übrig, die durch ihre Eigenschaften, Resistenz, Transport- und Lagerfähigkeit geeignet waren, den höchsten Mehrwert zu erzielen. Kleine Veränderungen im Sortiment gab und gibt es immer wieder, aber auf dem Markt wird es einem nur schwer gelingen, neben Golden oder Red Delicious, Fuji oder Pink Lady und Granny Smith auch einen Weißen Winterkalvill oder einen Kalterer Böhmer zu finden. Das Projekt des Versuchszentrums Laimburg zielt nicht darauf ab, ein Apfelmuseum zu bestücken, sondern vielmehr das lebendig zu erhalten, was die Vergangenheit weitergegeben hat. Walter Guerra: „Uns geht es darum, die alten Sorten und ihre Qualität auch aktiv zu nutzen.“ Zum Beispiel, um sie mit den neuen Sorten zu kreuzen und damit das Aroma zu verbessern. Welcher baum ist das? Die in der Bevölkerung verbreiteten Aufrufe sind auf breites Echo gestoßen. Nicht wenige Bauern und Gartenbesitzer wollten schon immer einmal wissen, um was für einen Baum es sich bei dem sonderbaren Einzelgänger mit den kleinen, rotbackigen Schneewittchenäpfeln auf ihrem Hof nun handelte. Für die Pomologen ist die Bestimmung der Sorten nicht immer eine leichte Aufgabe. Guerra: „Die Früchte eines Apfelbaums, der in der Talsohle auf einem bestimmten Boden und schön gepflegt wächst, sind eben anders als diejenigen eines verwilderten Baums, der auf 1700 m Höhe um sein Bestehen kämpft. Mit Hilfe von Experten aus ganz Europa konnte das Team der Laimburg mehr als hundert unterschiedliche Sorten bestimmen, die jeweiligen Mutterbäume wurden georeferenziert. Der Großteil der so gefundenen Sorten wurde in die Sortensammlung der Versuchsanstalt aufgenommen. Guerra: „Wir sind stolz auf unsere Genbank mit je fünf Bäumen pro Sorte.“ DNA-Profil der alten Sorten Solch eine Genbank dient nicht zuletzt der Sicherung des Materials. „Wer sagt, dass der alte Baum auf dem Pustertaler Berghof nicht im nächsten Sommer dem Blitz zum Opfer fällt.“ Für ihre Bestimmungen haben die Apfelexperten an der Laimburg nicht nur auf alte pomologische Werke mit akribischen Beschreibungen und detaillierten Zeichnungen zurückgegriffen, sondern sich auch molekularbiologischer Analysen bedient. Mehr als nur Tafelobst Nun verfügt die Laimburg über eine Datenbank mit DNA-Fingerabdrücken von mehreren hundert Sorten. Alle diese Sorten hatten ihre Daseinsberechtigung. Heutzutage werden Äpfel hauptsächlich in Form von Tafelobst konsumiert. Das war nicht immer so. Die Verwertung der Äpfel ist fast so vielseitig wie ihre Sortenvielfalt. Essig, Wein, Cider, Edelbrände, Saft, Kuchen und warum nicht auch – der Apfel als ornamentales Landschaftselement oder als wertvolle Zuckerreserve im Winter. Die zum Teil skurril anmutenden Namen der alten Sorten geben nicht selten Hinweise auf ihre Herkunft. Ob der Kalterer Böhmer nun aber zuerst in Kaltern und dann in Böhmen oder umgekehrt gewachsen ist, das wis- p a g i n i e r u n g sen auch die Pomologen nicht. Walter Guerra: „Es ist interessant, die kulturhistorischen Wurzeln mancher Sorten zurückzuverfolgen.“ So brachte beispielsweise Erzherzog Johann von Tirol zahlreiche Sorten ins Land. „Auch über die Klöster gab es einen regen Sortenaustausch.“ (Noch) Keine autoktone Südtiroler Sorte Bei der Vielzahl der Sorten ist es allerdings noch nicht gelungen, eine autoktone Südtiroler Sorte zu definieren wie beispielsweise Lagrein und Vernatsch bei den Trauben. Aber das ist auch nicht so wichtig. Die Pomologen arbeiten jedenfalls neben der Bestimmung auch an der Kreuzung alter und neuer Sorten. Profitieren werden davon am Ende die Konsumenten. Wer die alten Sorten kennenlernen möchte, kann sich an den Verein „Sorten Garten Südtirol, SGS“ wenden, in dem Produzenten alter Sorten, die Wochenmärkte und den spezialisierten Handel beliefern, in einem Netzwerk zusammengeschlossen werden sollen. Wer möchte schließlich nicht gerne einen Winterbananenapfel, eine Ananas Renette oder gar einen geflammten Kardinal kosten. Im Trentino hat sich die alte Sorte Kanada Renette immerhin zehn Prozent des Markts erobern können und in Kampanien trägt eine alte Apfelsorte aus den Zeiten des Römischen Reichs namens Annurka die Bezeichnung IGP (Indicazione Geografica Protetta). 02/2011 33

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