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Energie & Umwelt 2017

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44 05/2017 Green is beautiful Er ist ein Allrounder, lebt am schönsten Fleck Erde, den er sich vorstellen kann. Wenn man ihn fragt, als was er sich fühlt: Hotelier, Techniker oder Bauer, dann weiß er es selber nicht genau. Stephan Mühlmann aus Innichen, Juniorchef des Hotels Leitlhof. Das erste zu hundert Prozent Energieautarke Hotel in Europa und eines der ersten weltweit, 2016 ausgezeichnet mit dem World Travel Award als „Europe‘s Leading Green Hotel“ und dem 2. Platz bei den Green Tec Awards für die vielen Initiativen beim Umweltschutz. Die Familie Mühlmann war nicht immer eine Hoteliers-Familie. Das Hotel wurde Ende der 90er Jahren erworben und stetig ausgebaut, das ursprüngliche Dreisterne-Haus ist heute ein Vier-Sterne-Superior. Großgeschrieben werden die persönliche Betreuung, der Wohlfühlfaktor, die Regionalität und die Nachhaltigkeit. Umwelt und alternative Energien waren schon immer ein Thema, welches Stephan sehr interessiert hat. Bereits 2011, während des internationalen Managementstudiums, hat Stephan Mühlmann in Innichen eine Photovoltaik-Anlage errichtet. Für die Saison 2011 wurde das Hotel um einen Außenpool und zwei Außensaunen erweitert, dabei stiegen dann aber die Energiekosten erheblich, zu viel für den Familienbetrieb. Auf der Suche nach der besten Technik Stephan ist ein Tüftler mit einer großen Begeisterung für Technik. Er hatte sich schon vor 2011 intensiv mit dem Thema der Stromproduktion auseinandergesetzt. Bei seinen Nachforschungen wie man die Energiekosten, sowie auch die CO 2-Emissionen des Hotels Leitlhof senken könnte, war er auf die Möglichkeit gestoßen, mittels eines Holzvergasers thermische sowie auch elektrische Energie mit sehr geringen Emissionen herzustellen. Allerdings war die Technik zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ganz ausgereift und die ersten Unternehmen in Deutschland und Österreich, die sich mit dieser Technik befasst hatten, waren zunächst gescheitert. Dann erfuhr Stephan Mühlmann von der Firma Spanner Re2 aus Niederbayern, die Holzvergaser in Serie herstellen und überzeugend waren. „Die Holzvergasung erfolgt bei rund 800 °C. Anschließend wird das Gas abgekühlt, gefiltert und einem Motor zugeführt der einen Generator antreibt. Der Generator produziert den Strom und durch die Kühlung des Motors und der Anlage wird die Wärme für das Hotel gewonnen.“ Ein Quantensprung war die Kombination einer Holzvergasungsanlage mit einer Photovoltaikanlage, welche Stephan selbst entwickelt hat. Aus der Landwirtschaft kannte er das System der Heutrocknung, bei der die warme Luft im Sommer unter den Dachziegeln abgesaugt wird, um Heu zu trocknen. „In unserem Fall wird im Sommer die warme Luft unter der Photovoltaikanlage abgesaugt, um das Hackgut zu trocknen. Dadurch wird auch die Photovoltaikanlage gekühlt, was eine Steigerung der Effizienz zur Folge hat. Im Winter wird die Strahlungsenergie der Holzvergasungsanlage bei Schneefall unter die Photovoltaikanlage geblasen, damit der Schnee sofort schmilzt und die Stromproduktion nicht unterbrochen wird. Wir schaffen fast 1.400 kWh pro installierten kW“, erzählt Stephan stolz. In den ersten Jahren lebte Stephan Mühlmann sozusagen in Symbiose mit dem Holzvergaser. Anfangsschwierigkeiten gab es viele, immer wieder musste er bei technischen Pannen

portrait 05/2017 45 improvisieren, aber es hat sich gelohnt. Heute läuft die Maschine weitgehend störungsfrei. Anfang des Jahres 2017 wurde die Effizienz nochmals gesteigert und es seither gibt es nur noch wenige Ausfälle. Zum Leitlhof gehört auch der landwirtschaftliche Betrieb „Mühlhof“, mit einigen Hektar Wald. Die Holzversorgung aus dem eigenen Wald reicht nur zum Teil aus. „Wir können mit unserem Wald ca. 40 Prozent des Bedarfs decken; der Rest wird von anderen landwirtschaftlichen Betrieben des Hochpustertales zugekauft“, sagt Stephan Mühlmann. 21 Jahre und Mut zum Risiko Stephan war sich der großen Verantwortung bewusst, die er mit dem Ankauf und der Inbetriebnahme des Holzvergasers auf sich nahm, zumal er bei Baubeginn gerade 21 Jahre alt und noch im Studium war. Mit großem Einsatz stellte er sich der Herausforderung. Von sich selbst sagt er: „Ich bin neugierig, motiviert und glücklich.“ Man glaubt es ihm aufs Wort. Aber Stephan ist auch unerschrocken, hartnäckig und ein unermüdlicher Arbeiter, wenn es um die Umsetzung eines Zieles geht. Ökologischer Fußabdruck: von 85 kg CO 2 auf 12,3 kg pro Gast und Tag „Anfangs war die Skepsis in der Familie groß, aber Schritt für Schritt konnte ich sie überzeugen: Der Rohstoff ist vorhanden, und die Abnahme für die gesamte produzierte thermische und elektrische Energie ist gesichert. Aber am wichtigsten war mir meine Begeisterung für das Projekt“, erinnert sich Stephan Mühlmann. Der Leitlhof nimmt den größten Teil der produzierten Wärme ab, Strom hingegen zu 70 Prozent, der Rest fließt ins Netz und wird vergütet. Seit 31. Dezember 2012, als die Anlage in Betrieb ging, konnte der Leitlhof den CO 2-Ausstoss pro Gast und Übernachtung von 85 Kilogramm auf 12,3 Kilogramm senken. Ein Trend, der bei der jährlichen Messung des „ökologischen Fußabdrucks“ bestätigt wird. Die Gäste müssen dennoch auf nichts verzichten, im Gegenteil sagt Stephan Mühlmann, „gerade weil wir ein zertifiziertes klimaneutrales Hotel sind, muss der Gast kein schlechtes Gewissen haben, wenn er im dampfenden Außenpool schwimmt.“ Die Investition in die Alternative Energie wird sich für das Hotel Leitlhof nach zehn Jahren amortisieren. In erster Linie geht es Stephan Mühlmann nicht um Profit, sondern um die Energieeinsparung, den Schutz der Umwelt und „um die Wälder und das Holz“, hebt er hervor. Nach Photovoltaik und Holzvergaser war es deshalb nur natürlich, dass er den einmal eingeschlagenen Weg konsequent weiterhin beschritt, im Interesse einer ökologischen Ausrichtung des Hotelbetriebs. Mittlerweile werden mit der im Holzvergaser produzierten Energie auch Elektroautos aufgeladen. Für die Zukunft ist die Anschaffung zweier Elektro-Busse geplant, die die Gäste zu den Aufstiegsanlagen befördert und den Transfer von und zum Hotel garantieren. Weitere Initiativen für den Umweltschutz sind die moderne Wäscherei im Haus, strikte Mülltrennung, das Vermeiden von Plastikflaschen und Plastikbechern und ein innovatives Energiemanagement im Hotel. Konsequent umweltbewusst und gerade deshalb attraktiv Die Gäste aus dem In- und Ausland schätzen die nachhaltige Ausrichtung des Hotels, da der Komfort im Leitlhof trotz der Nachhaltigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Das Auto kann während des gesamten Aufenthalts in der Garage bleiben. Der 2.000 Quadratmeter große Wellnessbereich bietet Genuss pur. Die Küche bedient sich im Kräuter- und Gemüsegarten des Mühlhofs und die 60 Schafe, um die sich nebenbei auch Stephan kümmert, liefern Bio-Fleisch. Was selbst nicht produziert werden kann, wird zugekauft, wobei besonders auf Regionalprodukte geachtet wird. Die wöchentlichen Führungen durch die Holzvergasungsanlage, die Stephan Mühlmann den Gästen anbietet, sind immer gut besucht. Wie sieht Stephan Mühlmann seine Position als umweltbewusster, ökologisch ausgerichteter Mensch und gleichzeitig als Hotelier, der daran interessiert ist, den Tourismus so gut es geht zu fördern? Ist das nicht ein vorprogrammierter Konflikt, vor allem hinsichtlich der angestrebten Erweiterung der Skigebiete im Hochpustertal? Nein, sagt Stephan Mühlmann. Kein Konflikt, aber eine Gratwanderung: „Man muss die Situation differenziert sehen, sowie die Vor- und Nachteile abwiegen. Natürlich gibt es kritische Stimmen, aber wenn man das große Ganze betrachtet, ist die Entwicklung sowohl touristisch wichtig aber auch hinsichtlich der Schaffung und Erhaltung der Arbeitsplätze. Der Süden der Dolomitenregion ist ein unantastbarer Naturpark und das muss so bleiben, im Norden kann der Skitourismus in vernünftigem Maß und umweltschonend gefördert werden“ Zusammen mit anderen Betrieben und Unternehmern ist er bestrebt, den Tourismus im Hochpustertal besonders in der Wintersaison zu fördern. „Im Sommer hat die Dolomitenregion Drei Zinnen eine sehr gute Auslastung, im Winter jedoch ist es wichtig, dass wir uns weiterentwickeln, um als Destination interessant zu bleiben. Bei uns sind alle Branchen stark vom Tourismus abhängig, nicht zuletzt ist eine gute Auslastung im Winter wichtig, um den Mitarbeitern Arbeitsplätze übers ganze Jahr bieten zu können und, wie in unserem Fall, weiter in die alternative Energie und in die Nachhaltigkeit investieren zu können. Was macht ein umtriebiger Mensch wie Stephan Mühlmann in seiner Freizeit? Er verbringt sie mit der Familie, sein kleiner Sohn ist gerade ein Jahr alt geworden. Ein rundum glücklicher Mensch!

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