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Energie & Umwelt 2015

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aktuell 8 06/2015 06/2015 9 aktuell „Grundsteine für Neuausrichtung gelegt“ Mit der Reorganisation des Energiesektors steht Südtirol am Anfang eines neu eingeschlagenen Weges. Ziel ist und bleibt es, eine bestmögliche und moderne Energiepolitik für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sicherzustellen, erklärt Energie- und Umweltlandesrat Richard Theiner im Interview. > Radius: Herr Landesrat, im Energiebereich scheint der SEL-Skandal überwunden und eine neue Zeit eingeläutet. LR Richard Theiner: Im Energiebereich sah sich die neue Landesregierung und damit vor allem auch ich als zuständiger Landesrat vor der großen Herausforderung, die rezente Vergangenheit zu bewältigen. Mit rund 1,5 Milliarden Euro Schadenersatzklagen und einem virulenten Streit um die Konzessionen der großen Wasserableitungen war eine zwingende Neuausrichtung des Sektors und eine Befriedung der Streitparteien oberste Priorität. Besonders problematisch habe ich stets die Auseinandersetzungen im Energiebereich zwischen Land und Gemeinden empfunden, weil dieser „Bruderzwist“ verständlicherweise auch für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar war. > Radius: Was war Voraussetzung für eine Neuausrichtung des Energiesektors? LR Theiner: Mit der anstehenden Fusion zwischen SEL und Etschwerke, dem Rückkauf der Enel-Anteile sowie mit der Einigung mit der Eisackwerke GmbH im Hinblick auf die Konzession des Kraftwerks St. Anton wurden gemeinsam Zoggler Stausee im Ultental Foto: SEL Landesrat Richard Theiner mit der Neubewertung der Konzessionen der Großwasserableitungen die Grundsteine für die Neuausrichtung des Energiesektors gelegt. Auf dieser Basis war es erstmals wieder möglich, gemeinsam neue Regeln für die Energiepolitik und für die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure zu definieren. > Radius: Kommen wir zu Ihrer wohl wichtigsten Aufgabe im vergangenen Jahr im Energiebereich: der Fusion zwischen der SEL und den Etschwerken. LR Theiner: Ich habe mich stets dafür eingesetzt, eine neue Form der Beteiligung zwischen Land und Gemeinden am Stromsektor zu ermöglichen. Gemeinsam mit dem Landeshauptmann haben wir daher im vergangenen Jahr intensiv daran gearbeitet, die Fusion zwischen Etschwerke und SEL zu ermöglichen. Nach langen Verhandlungen konnte es gelingen, dass man letztendlich zusammengefunden hat. Der Wert der „New Company“ liegt bei 1,5 Milliarden Euro, womit wir auch auf staatlicher Ebene eine gewisse Größe erreicht haben. Abgesehen von diesem wirtschaftlichen Wert ist die politische Bedeutung der Fusion für Südtirol besonders zu unterstreichen. Zudem gibt uns dies nun die Möglichkeit, die Gemeinden mit einem zusätzlichen Aktienpaket von zehn Prozent als Basis an der neuen Gesellschaft zu beteiligen. Nach erfolgter Fusion wird es auch möglich sein, dass bei kleinen Wasserkraftwerken, wo die Gemeinden und die SEL gemeinsam beteiligt sind, die Gemeinden 100 Prozent der Anteile übernehmen können. > Radius: Ein weiterer bedeutender Schritt war die so genannte ENEL-Operation. LR Theiner: Es ist uns gelungen, die 40-prozentigen ENEL- Anteile an zehn großen und sieben kleinen Wasserkraftwerken zurückzukaufen. Das bedeutet, Eigenständigkeit und Selbstbestimmung in der Führung der heimischen Kraftwerke zu haben. Ein Großteil der Energie aus heimischer Wasserkraft befindet sich nun in Händen Südtirols, dadurch ergeben sich neue Gestaltungsspielräume. Insgesamt ist das Land sehr interessiert, die großen Energiekonzerne der Vergangenheit gänzlich aus unseren heimischen Unternehmen zu lösen. Intensive Verhandlungen gibt es derzeit auch mit der Edison. Foto: Ingrid Heiss > Radius: Nach den Vorkommnissen um die unrechtmäßige Zuweisung einiger Energiekonzessionen hatte sich noch die alte Landesregierung im April 2013 für die Neubewertung der Konzessionsgesuche ausgesprochen. Was hat diese ergeben? LR Theiner: Die Neuvergabe der Konzession St. Anton ist im Februar über die Bühne gegangen. Ende März wurden dann nach erfolgter Neubewertung neun Konzessionen für Großkraftwerke bestätigt, eine Konzession muss neu ausgeschrieben werden. Mit der Neubewertung, die eine rechtliche Grundlage für die Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit darstellt, ist es gelungen, unter die Vergangenheit einen Schlussstrich zu ziehen, um eine Neuausrichtung des Energiesektors in Angriff nehmen zu können. > Radius: Was konnte in den vergangenen eineinhalb Jahren noch erreicht werden? LR Theiner: Seit Februar 2014 arbeitet die „Expertenrunde Energie“, zunächst unter dem Vorsitz von Georg Wunderer und nun von Flavio Ruffini, mit dem Ziel, gemeinsam mit allen Akteuren – Land, Gemeinden aber auch Produzenten – eine tragfähige Basis für eine Neuausrichtung und ein neues Vertrauensverhältnis zu schaffen. Dieser „Energietisch“ hat innerhalb weniger Monate einen Vorschlag für das neue Landesgesetz betreffend die kleinen und mittleren Wasserableitungen ausgearbeitet, das vom Landtag im Jänner bereits verabschiedet worden ist. Kern des neuen Gesetzes für die kleinen und mittleren Ableitungen ist es, dass die Allgemeinheit vom Wasser als öffentlichem Gut einen Nutzen ziehen soll. Für die Durchführbarkeit des neuen Landesgesetzes ist noch der Beschluss des Leitfadens über jene technischen Dokumente, die den Gesuchen beizulegen sind, notwendig. Sodann wird man, nachdem im Juli der notwendige Beschluss betreffend die Kriterien der sensiblen Gewässerabschnitte genehmigt wurde, neue Gesuche und noch unbehandelte alte Gesuche auch bearbeiten können. > Radius: Dort wo Konzessionen vergeben werden, fließen auch Umweltgelder in beträchtlicher Höhe. LR Theiner: Die Umweltgelder stellen zweifelsohne eine große Errungenschaft dar. Südtirol ist das einzige Land, in dem aufgrund der Neuausschreibung der großen E-Werkskonzessionen die Gemeinden und das Land jährlich ca. 30 Millionen Euro an Umweltgeldern erhalten. Diese stellen einerseits eine Entschädigung für die Belastungen durch Wasserkraftwerke dar und erlauben andererseits nachhaltige Umweltinvestitionen. Damit können viele Maßnahmen zur Verbesserung von Landschaft und Umwelt – von der Revitalisierung von Gewässern bis hin zur energetischen Sanierung von Gebäuden – realisiert werden. Dies kommt nicht zuletzt auch der lokalen Wirtschaft zugute, denn durch konkrete Investitionen vor Ort können Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden. Neu ist, dass die Gemeinden nun auch bei den kleinen und mittleren Wasserableitungen eine Entschädigung in Form der so genannten Umweltgelder bekommen werden. Foto: Landesamt für Gewässerschutz > Radius: Beim Energietisch besprochen wurde auch die notwendige Erneuerung der teilweise veralteten Stromnetzinfrastruktur. LR Theiner: Stromverteilung ist ein hoch komplexes Geschäft, man denke nur an die Abstimmungsnotwendigkeit, die heute durch die vielen Einspeisenden – von großen Kraftwerken bis zu kleinsten Photovoltaikproduzenten – eine große Herausforderung geworden ist. Es geht also darum, ein schlüssiges Gesamtkonzept für Südtirol zu erarbeiten, das eine vorausschauende und nachhaltige Planung der Netzinfrastrukturen ermöglicht und damit auch eine sichere und effiziente Stromversorgung gewährleistet. > Radius: Wie wird dieses Gesamtkonzept aussehen? LR Theiner: Es wird derzeit an einem Masterplan gearbeitet, der Notwendigkeiten und Prioritäten für Investitionen aufzeigt, Schwachpunkte der Infrastrukturen offenlegt und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren (Gemeinden, Selnet, Terna, Etschwerke etc.) verbindlich regelt. Alle haben natürlich Interesse an der Versorgungssicherheit. Doch Eingriffe in das Stromverteilungsnetz bedeuten auch Eingriffe in die Landschaft; weshalb auch Vertreter des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz und des Heimatpflegeverbandes an den Sitzungen des Energietisches teilnehmen. In Bezug auf Terna wurde eine technische Arbeitsgruppe eingerichtet, in deren Rahmen wir unsere Vorstellungen für verschiedene, zu realisierende Vorhaben besprechen können, wie beispielsweise die unterirdische Verlegung von Hochspannungsleitungen oder den Bau neuer Hochspannungsleitungen. Wie Sie sehen, auch im Bereich der Verteilungs- und Versorgungssicherheit ist in diesen eineinhalb Jahren Einiges geschehen, wenn auch noch viel zu tun bleibt. Denn eine qualitativ hoch stehende Versorgung ist nicht nur für unsere Bürger, sondern auch für die heimische Wirtschaft von größter Bedeutung. Wasserfassung am Pragser Bach

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